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Geschichtliches

Gründung und Aufbruch

Im 19. Jahrhundert entwickeln sich in Deutschland die Anfänge einer Gipsindustrie mit zahlreichen kleinen Gipsmühlen und ersten Gipsfabriken, die sich in der Mehrzahl auf den regionalen Bedarf spezialisieren. Aufgrund der zunehmenden Industrialisierung und der damit verbundenen stärkeren Nachfrage nach Gipsprodukten setzt sich gegen Ende des Jahrhunderts die Erkenntnis durch, den Sachverstand von Groß- und Kleinbetrieben bündeln zu müssen – vor allem auch bei der damaligen Reichsregierung, „weil sie großes Interesse daran hat, den Gips in weit erhöhtem Maße zu verwenden als bisher, namentlich als Mörtel“ [1]. Der Wunsch, Gips zu einem technisch sicheren Baustoff mit gleichbleibenden Eigenschaften zu entwickeln und wirtschaftliche Chancen erfolgreich zu nutzen, steht also am Beginn des Gemeinschaftswerks der Gipsindustrie. 

Am 26. August 1899 appelliert Lebrecht Mundt, Unternehmer und Inhaber der Berliner Gipswerke, in der Thonindustrie-Zeitung, dem Zentralblatt für das Gesamtgebiet der Steinen und Erden, an die Branche, einen Verein Deutscher Gipsfabrikanten aufzubauen. Die Resonanz ist beachtlich: Bereits am 18. September 1899 versammeln sich 25 Vertreter gipsabbauender und gipsherstellender Unternehmen in Kassel, um den Deutschen Gipsverein zu gründen. Die damals formulierten Aufgaben und Ziele wirken bis heute nach: „Der Deutsche Gipsverein wird gemeinnützig im Dienste der gesamten Gipsindustrie tätig sein und die Natur des Gipses in chemischer und technischer Beziehung feststellen und Unterlagen für die Erörterung der technischen und wissenschaftlichen Fragen schaffen, die sich bei der Erzeugung und Verwendung ergeben, ohne dass dabei die wirtschaftlichen Fragen ausgeschaltet werden dürfen“ [1]. 

Der Verein widmet sich fortan der Erkenntnisgewinnung über den mineralischen Rohstoff Gips und veröffentlicht die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit in den maßgeblichen Fachblättern der Zeit. Auch gesellschaftliche Fragen und der Erfahrungsaustausch mit Arbeitnehmerorganisationen stehen auf der Agenda. Mit Beginn des 1. Weltkriegs kommt die Vereins- und Forschungsarbeit zum Erliegen.

Erneuter Aufbruch und Niedergang

In der Weimarer Zeit werden auch die Unternehmer der Gipsindustrie von der Aufbruchsstimmung der „Goldenen Zwanziger Jahre“ erfasst und intensivieren ihre Vereinstätigkeit, um Gips in seiner Wahrnehmung und Bedeutung als Baustoff weiter in Gesellschaft und Märkten zu verankern. Aber schon mit dem Zusammenbruch des Welthandels zu Beginn der 1930er Jahre sowie mit der Herrschaft der Nationalsozialisten verliert der Deutsche Gipsverein an Substanz und büßt sowohl Identität als auch Eigenständigkeit ein. Die ursprünglich unabhängig denkende und forschende Gemeinschaft besteht unmaßgeblich innerhalb gleichgeschalteter Strukturen als „Fachgruppe Gips- und Kreideindustrie“ fort.

Wendepunkt und Fortschritt

Nach 1945 gewinnt das Bauen mit Gips eminent an Bedeutung und die identitätsstiftenden Institutionen leben rasch wieder auf. In erster Linie ist das der bergbaulich-handwerklichen Tradition von Familienunternehmen geschuldet, die auch über die 1930er Jahre hinweg die Innovationsfreudigkeit und die Produktivität ihrer Gipswerke erhalten konnten. So wird bereits 1949 die Arbeitsgemeinschaft der Süddeutschen Gipsindustrie in Stuttgart initiiert, die am 27. Februar 1950 in der Restitution des Deutschen Gipsvereins mündet.

Um den mineralischen Rohstoff Gips eingehender zu erforschen und das technische Leistungspotenzial von Gipsbaustoffen weiter ausschöpfen zu können, wird die Geschäftsstelle 1953 nach Darmstadt, dem Standort der renommierten Technischen Universität, verlegt. Ziel ist es, die Vereinstätigkeit auf lange Sicht deutlich wissensorientierter und experimenteller auszurichten, was wenige Jahre später konsequenterweise zur Gründung der eigenständigen Forschungsvereinigung der Deutschen Gipsindustrie e.V. führt. Mit der Umbenennung des Deutschen Gipsvereins in Bundesverband der Gips- und Gipsbauplattenindustrie e.V. im Jahr 1964 verbindet sich der Anspruch, die normativen Grundlagen für das Bauen mit Gips voranzutreiben und Bauprodukte aus Gips noch nachdrücklicher als Leitwerkstoffe für den Innenausbau zu implementieren. Neue Anwendungsmöglichkeiten für Baustoffe aus Gips, die zunehmend europäisch und international geprägte Normungsarbeit, gestiegene Anforderungen an eine moderne Kommunikation und nicht zuletzt ein zunehmend öffentliches Ansehen führen 2003 zur erneuten Umbenennung zum heutigen Bundesverband der Gipsindustrie e.V. mit Sitz in Berlin.

[1] Tonindustriezeitung Nr.110, 09.1919


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